Doch jetzt verlangte der Lehrer erneut, ich sollte schreiben: "Ich bin ein Lügner!". Ich erzählte dem Lehrer, daß mein Vater mir verboten hatte, dies zu tun. Der Lehrer versuchte, mich dazu zu zwingen, aber ohne Erfolg. In seiner Wut warf er mich aus der Schule hinaus. Das war nicht recht. Als ich nach Hause kam, sagte mein Vater nur: "Gut, du kannst zuhause bleiben." Es ist eine sehr schwierige Sache, Kinder aus der Schule herauszuhalten, aber meinem Vater war das egal. Der Schulinspektor kam zu uns nach Hause und erzählte meinem Vater, daß der Lehrer den Satz ändern wolle in: "Alle Menschen sind Lügner" und daß alle Jungen den Satz schreiben sollten. Mein Vater sagte: "Nein, nicht mein Sohn." Der Bürgermeister der Gemeinde versuchte, meinen Vater umzustimmen. Mein Vater sagte: "Nein, nicht ich habe meinen Sohn aus der Schule genommen, der Lehrer hat ihn rausgeworfen." Jetzt wurde die ganze Angelegenheit Regierungssache, und mein Vater bekam sein Recht. Der Lehrer mußte versprechen, nichts gegen mich zu unternehmen, und nach 6 Wochen Zwangsferien ging ich wieder zur Schule. Es ist meine Pflicht zu sagen, daß das Verhältnis zwischen mir und dem Lehrer während der folgenden 4

x

Schuljahre stets gut gewesen ist.

Dieses Verhalten meines Vaters beeindruckte mich so tief, daß ich mich bis auf den heutigen Tag genau an den Brief erinnere, den er schrieb. Dann befahl mir mein Vater, den Brief mit zur Schule zu nehmen und um keinen Preis den Satz zu schreiben, den der Lehrer von mir forderte. Der Lehrer nahm den Brief entgegen, ging zu meiner Schwester und fragte sie, ob mein Vater den Brief geschrieben habe. "Ja!" sagte meine Schwester.

Einer der Jungen hinter mir in der Klasse redete während der Schulstunde, und der Lehrer* fragte mich, wer es gewesen sei. Ich antwortete: "Ich weiß es nicht.", und das war die Wahrheit. Der Lehrer glaubte mir aber nicht. Und zur Strafe sollte ich 10mal schreiben: "Ich bin ein Lügner". Ich erzählte meinem Vater davon, und er schrieb in seiner klaren, charakteristischen Schrift einen Brief an den Lehrer: "Werter Herr Lehrer! Ich bedaure, daß Sie so gemein und kindisch sind. Wenn jemand ein Lügner ist, mag er es aufschreiben. Aber nicht mein Sohn!

Mein Vater war von hitzigem Temperament, v.a. wenn er seine Kinder bestrafte.. Aber das ist verständlich, weil er 9 Kinder in Zaum halten mußte. Niemals vergesse ich eine Begebenheit, die ich während meiner Schulzeit erlebte.

UnterschriftSimonKasparHeinrichKlein.jpg

 Kaspar Heinrich Simon".

* Vermutlich handelt es sich um den Lehrer Hermann Ley, der im Jahr des Vorfalls (1866) seinen Dienst neu angetreten hatte und bis 1874 in Harscheid blieb.

DorfschuleVon1837Klein.jpg

Harscheider Schule, erbaut 1837

Startseite der
Simon-Chronik
 
©   Kurt Müller 2022

Kaspar Heinrich Simon

geboren 13. Mai 1818 in Hoff
gestorben  11. Februar 1884 in Harscheid

Elisabeth Dax

geboren 28. Oktober 1814 in Harscheid
gestorben  17. Februar 1885 in Harscheid

Simon

Dax

Dklein.Famgesch
BildschirmPfeilweissinvert
menue_button_neu_44_34
Menü
 
UnterschriftDaxElisabethInv
UnterschriftSimonKasparHeinrichInvkl
This page in English
 
BildschirmPfeilweissinvert
menue_button_neu_40_30
Menu
 

Chronik der Familie Simon (6)

verfasst im Jahr 1927 von Wilhelm Simon

 

Schule und Lehrer in Harscheid


Bild und Text aus:
Karl Schmitz, Chronik von Harscheid, Harscheid 1999

Eine der wichtigsten Veränderungen in der 1.

f

Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Verbesserung des Schulwesens in unserer Heimat. Da um 1800 die Kinder der armen Kleinbauern von März bis November in der Landwirtschaft helfen mußten, gab es damals nur eine sogenannte Winterschule, die in einem Bauernhaus abgehalten wurde. ... Im Ober- geschoß und im Speicher des Bauernhauses von Johann Heinrich Dax, der im Westteil von Harscheid wohnte, wurde 1821 auf behördliche Veranlassung eine von Johann Heinrich Baum geleitete zweiklassige Schule eingerichtet. Nachdem 1825 im Königreich Preußen die allgemeine Schulpflicht** eingeführt wurde, erbaute man in der Ortsmitte die erste gemeindeeigene zweiklassige Schule, die in massiver Steinbauweise errichtet und 1837 eingeweiht wurde.
 
1839 verfügten die Lehrer dieser Schule über ein Budget von 328 Thalern, 18 Silbergroschen und 9

f

Pfennigen. Von 1837 [an] ... waren in Harscheid folgende Lehrer tätig: Fritz Baum (1837 - 1866), Hermann Ley (1866 1874)...
 
Daß der Schulbesuch trotz gewisser Fortschritte noch sehr mangelhaft war, beweisen die Unterschriften in vielen Geschäftsbüchern, die auch um 1850 häufig nur aus drei Kreuzen bestanden. Pfarrer Steins schrieb am 16. November 1842 an den Schulpfleger Jüngst in Wiehl: "Gestern Nach- mittag war ich in Harscheid und fand von der großen Anzahl Kinder nur 88 anwesend. Die Schule hat 320 schulpflichtige Kinder, von denen freilich - was ganz enorm und durchaus unzulässig ist - etwa 50 bis 60 dispensiert, also des Schulunterrichts völlig beraubt werden. Der Unterlehrer unterrichtet 200 Kinder und erhält 50 Thaler Schulgeld, der erste Lehrer mit 90 Kindern aber 300

f

Thaler. 320

f

Kinder für zwei Lehrer, das geht nicht. Dafür müssen wenigstens drei Lehrer sein. Die Harscheider Schule macht mir viel Sorge". Die hohe Schülerzahl ergibt sich daraus, daß damals zehn Ortschaften zum Schulbezirk Harscheid gehörten....

**In Preußen galt bereits seit 1717 eine Schulpflicht für alle Jungen und auch Mädchen, aber mit vielen regionalen und anderen Ausnahmen. Eine allgemeine Schulpflicht für ganz Preußen ohne Ausnahmen galt seit 1825. Das seit 1847 gültige Preußische

Schulgesetz

verpflichtete alle Kinder ab 6

f

Jahren bis zum Alter von 14 Jahren zum 8jährigen Schulbesuch.

Rechts:
Alte Dorfschule,
erbaut 1837. Damals war wahrscheinlich die Schule das einzige Haus im Dorf mit Ziegeldach; alle anderen waren wohl strohgedeckt.

(Foto: Heimatbildarchiv, Oberbergischer Kreis)