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Williamsport

Zu den Gründen, die zu Ferdinand Simons Entscheidung für

Williamsport

als Auswanderungsziel beitrugen, gehörte mit Sicherheit der hohe Anteil an deutsch-sprachigen Einwohnern. Die Deutschstämmigen stellen in Pennsyl- vania etwa 28% der Bevolkerung und damit die mit Abstand größte ethnische Gruppe. Weil Deutsch zusam- men mit dem lokalen "

Pennsylvania Dutch

" dort damals noch zu den Umgangssprachen zählte, wusste Ferdinand, dass er dort auch ohne sehr gute englische Sprachkennt- nisse Fuß fassen konnte, selbst in Wiliamsport, das wohl einen etwas geringeren Anteil Deutschstämmiger aufwies. Es kam ihm zudem entgegen, dass die Gegend nicht nur klimatische und sogar

landschaftliche Ähnlichkeit

mit seiner Heimat hatte, sondern dass Williamsport auch eine Hochburg der calvinistischen Glaubensrichtung bildete, wo Ferdinand mit seiner Herkunft aus dem reformierten Milieu von Homburg vor der Mark (Nümbrecht, Harscheid) und zuletzt Elberfeld-Barmen sich vermutlich schnell zuhause fühlte.
 
Ob er bei seiner Einwanderung auch dem calvinistischen Glauben an die "doppelte Prädestination" der religiösen Bedeutung wirtschaftlichen Erfolgs noch anhing oder nicht, in jedem Fall dürften auch die Nachrichten vom rasanten wirtschaftlichen Aufschwung der Region ihn maßgeblich angetrieben und nach Williamsport gelockt haben. Der außerordentliche Wirtschaftsboom dieser Stadt dauerte bereits seit ca. 1860 an und hatte Williamsport zu einer der wohlhabendsten Städte Pennsylvanias und der ganzen USA gemacht, angeblich sogar zur Stadt mit dem weltweit höchsten Anteil an Millionären.

Pferdetram.489

Im Zentrum von Williamsport um 1890

Das Sperrwerk bestand aus 352 Pfeilern, künstlichen Inseln aus Stein und versenktem Holz, die ca. 7 m hoch waren. Diese Sperrelemente waren miteinander verbun- den durch Ketten aus schwimmenden Baumstämmen.
Am oberen Ende des Sperrwerks befand sich der 350 m lange Sperrbaum (sheer boom), der geöffnet und geschlossen werden konnte. Von da aus gelangten die Hölzer in die Hauptsperre, die bis zu 70 Millionen Kubik- meter (300 Millionen board feet) Holz aufnehmen konnte.

1898.SusquehannaLogs.Williamsport.520

Am unteren Ende sortierten Männer und Jungen, manche erst 12 Jahre alt und Baumratten (boom rats) genannt, die Baumstämme nach den jeweils in sie eingebrannten Zeichen der einzelnen Sägewerke. Jedes Sägewerk hatte sein eigenes Sammelbecken am Flussrand für seine gekennzeichneten Hölzer.

"'Susquehanna boom' was a system of cribs and chained logs in the West Branch Susquehanna river, designed to catch and hold

floating timber

until it could be processed on one of the nearly 60

i

sawmills along the river between Lycoming and Loyalsock creeks" (siehe:

Susquehanna boom

). "At its high point, Williamsport was known as the 'lumber capital of the world'.” (aus:

Susquehanna life

)

Der Susquehanna Boom

SusquehennaBoom.520
Williamsport Wood Industry 1853.520
Susquehanna.LogRafting.520

Log-Rafting auf dem Susquehanna

Verantwortlich dafür war die Holzindustrie, die sich auf- grund der riesigen Wälder im Tal des

Susquehanna

und der effizienten Transportmöglichkeiten auf diesem größten Fluss der Oststaaten seit 1838 entwickelt hatte. Der so genannte "Susquehenna Boom" (s. Kasten rechts!) war organisatorisches Herz, aber auch Inbegriff dieses regionalen Wirtschaftswunders und steht deshalb sogar im Verdacht, für die ökonomie- bezogene Wortbedeutung von  "Boom", die sich damals aus der Urbedeutung (=

f

"Baum", "Sperre" etc.) in Nordamerika entwickelt haben soll, Namensgeber gewesen zu sein (und nicht allein, wie oft vermutet, dessen lautmalerische Qualitäten). Der Begriff "Susquehanna Boom" ist jedenfalls doppelt lesbar: die Sperre, für gesteuerten Holztransport auf dem Fluss, und der Wirtschaftsboom, der daraus  entstand.

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und seine Nachkommen

Der Auswanderer Ferdinand Simon

Aus der "

Chronik

", verfasst von Ferdinand Simons Bruder Wilhelm, wissen wir, dass Ferdinand Simon in Williamsport nach dem Vorbild seines Schwagers Heinrich Müller selbst ein eigenes Baugeschäft gründete. Details über seine Arbeit und sein Geschäft sind bisher nicht bekannt. In verschiedenen Quellen wird er als "Stone Mason" bezeichnet. Die Ein- und Zweifamilienhäuser der Williamsporter Außenbezirke, so auch die Häuser, in denen Ferdinand und seine Nachkommen lebten, wurden zwar üblicherweise aus Holz gebaut, die Gebäude der Williamsporter Innenstadt dagegen sind Stein- bzw. Ziegelgebäude. Hier fand Ferdinand also ausreichend Ressourcen für Aufträge, selbst für den Fall, dass er Holzbauten nicht durchführen konnte.

Zum Zeitpunkt von Ferdinands Simon Einwanderung aber war der Boom auf seinem Höhepunkt. Ferdinands Plan, den er auch umsetzte, war ein eigenes Baugeschäft. Die Bedingungen dafür waren in Williamsport äußerst erfolgversprechend: auf dem Bausektor herrschte eine enorme Nachfrage, weil die Zahl der Einwohner der Stadt rasant stieg; innerhalb der letzten 20 Jahre hatte sie sich fast vervierfacht. Und soweit Ferdinand, der eigentlich ein "stone mason" war, sich auch auf das dort übliche Material zum Bau von Wohnhäusern, nämlich Holz, einließ, war er dafür in Williamsport direkt an der "Quelle".

geboren am 17. März 1851 in Harscheid
gestorben am 4. Februar 1918 in Williamsport, USA
SignaturInv.trans.250
Williamsport.1885.Markt.312

Markt in
Williamsport
um 1885

Der Holzboom und der Stone Mason

Es scheint aber so, dass Ferdinand Simon relativ schnell nach seiner Einwanderung Fuß fasste: bereits 2 Jahre später, 1884, wurde er Staatsbürger der USA. Auch ein eigenes Haus hat er offenbar früh besessen, nämlich ab 1887, als im Adressbuch von Williamsport (s.u.) die Angabe "Market (Street) opposite fair grounds" die Lage des später (ab Adressbuch von 1888) mit der Nummer 1140 belegten und auch im Census von 1900 als Ferdinands Eigentum identifizierten Hauses exakt beschrieben und Ferdinand als Eigentümer apostrophiert wird. Ob er dieses Haus selbst gebaut hatte oder wann genau er sein Baugeschäft gründete, wissen wir aber bisher nicht.

©   Kurt Müller 2022
1894.MarketStr1140.199
1887.Adressbucheintrag.329

Dieser Eintrag von Ferdinand Simon im Williamsporter Adressbuch von 1887 (hier als "laborer", sonst in den meisten Fällen aber als "mason" bezeichnet) weist Ferdinand bereits als Hauseigen- tümer aus. Das einzelne "h" (zwischen Berufs- und Straßenbezeichnung) bedeutet "householder" (= Eigentümer). Die Angabe "opp[osite] fair grounds" (also gegenüber dem damaligen Messe -gelände) entspricht der späteren Hausnummer 1140 Market Street. Das Haus (s. links) steht heute noch.

Packer-Washington.225

Laut Adressbuch wohnte die Familie Simon  im Jahr 1886 in einem dieser beiden Häuser, beide Ecke Packer / Washington Street.

1896.CityDir
1896.CityDir

Auch in der Zeitungsnotiz "Two boys run away" von 1894 (s.hier) wird als Ferdinands Anschrift 1140 Market Street genannt. ferdinand jun. arbeitete damals als Gärtner.

1896.CityDir

Zwei Jahre nach diesem Vorfall (1896) jedoch arbeitet Ferdinand junior offenbar nicht mehr als Gärtner, sondern wird, so wie sein Vater, im Adressbuch (s.rechts) als "mason" aufgeführt, und zwar mit dem Zusatz "bds", d.h. Kost und Logis ("boards") beim Vater, während dieser weiterhin als Hausbesitzer aufgeführt ist ("h", s.o.).

Die Holzindustrie ließ auch unzählige Ableger-Industrien entstehen: "After the opening of planing mills to finish the cut lumber, Williamsport manufacturers made furniture, toys, packing boxes and whole houses ready to be shipped by rail for assembly. The forests of the Susquehanna Basin made the entrepreneurs of Williamsport rich." (aus:

ExplorePAhistory

). Hier herrschte Goldgräberstimmung, nur dass es um Holz ging. Bald nach der Jahrhundertwende beendeten der Übergang zum Ferntransport des Holzes mit der Eisenbahn und zugleich der komplette Kahlschlag im Susquehanna-Tal diese Epoche.