Mein Vater
(Caspar Heinrich Simon)
war ein Mann von mächtiger Gestalt und ungeheurer Kraft. Er war fleißig und sparsam. Wenn ich mit ihm zum Viehmarkt nach Waldbröl ging, trank er nie mehr als 1 Schnaps. Er leistete seinen Miltärdienst, als er 20 Jahre alt war und bereits verheiratet. Er war vom Hof "Zum Hoff" umgezogen in sein neues Domizil in Harscheid. Er hatte eine rauflustige Jugend, von der er gerne sprach. So erzählte er, daß er in seinen Streitigkeiten und Händeln nie eine andere Waffe gebrauchte als einen selbstgemachten Eichenstock. Die Gründe für jene Händel waren im allgemeinen Liebesaffären und damals so üblich. Einmal war mein Vater in einen Kampf zwischen ein paar jungen Burschen verwickelt. Die Situation wurde sehr schwierig, als der ganze Haufen auf dem Boden übereinanderlag, und mitten zwischen ihnen war ein Polizist. Einer der Burschen bekam den Daumen des Polizisten zwischen seine Zähne und biß ihn glatt ab. Mein Vater sollte der Delinquent gewesen sein (im Vertrauen erzählte er, daß er es wirklich getan hatte). Da es sich um einen Angriff auf einen Polizisten handelte, war das Gericht in Bonn zuständig, das etwa 50 km entfernt war. Mein Vater mußte etwa 8 Stunden gehen, um nach Bonn zu gelangen, weil es damals noch keine Eisenbahn gab. Mit ihm gingen auch die Zeugen, die gegen ihn aussagen sollten. Bevor er losging, hatte er alles aufgeschrieben, was er vor dem Richter zu sagen vorhatte. Während seines Fußmarsches lernte er alles auswendig, was er aufgeschrieben hatte, und sagte es immer wieder auf, mit lauter Stimme. Das Ergebnis war, daß die anderen, die mit ihm gingen und gegen ihn aussagen sollten, vor dem Richter genau dasselbe aussagten, was sie den ganzen Weg über gehört hatten. Und das Gericht sprach ihn frei.