geboren am 10. September 1870  in Elberfeld
gestorben am 18. Februar 1932  in Elberfeld
geboren am 8. August 1904 in Elberfeld
gestorben am 23. Dezember 1982 in Gütersloh
©   Kurt Müller 2021
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Kurt Müller sen. über Emil Müllers Flucht nach Amerika. Militärzeit. Politik.

Kurt M. jun.

Erzähl doch nochmal die Geschichte, wie Dein Vater nach Amerika kam...
 

Kurt Müller sen.

Jaaaa, das willste alles authentisch wissen...
Damals ging es sehr schlecht in der Ziegelei, mein Vater und seine Geschwister mussten alle schon früh helfen, in der Schulzeit schon, aber zu dem Zeitpunkt hatte er glaub'ich mit der Schule schon aufgehört, war Lehrling und hat glaub'ich Lohngelder geholt gehabt, jedenfalls irgendwelche Gelder. Er geht dann unten in die Stadt rein, will dann zum Uellendahl rauf, wo die Ziegelei stand, und da sieht er dann - mein Großvater hatte ja Pferde und Wagen usw., das wurde ja alles mit Pferd und Wagen gemacht -, er sieht dann,  wie ein Kutscher, ein Pferdewagenkutscher, ein Angestellter des Großvaters im besoffenen Zustand auf die Pferde einschlägt. Der Wagen hatte schwer geladen, und der Kutscher schlug ganz brutal drauf ein. Da hat mein Vater so'ne Wut gekriegt, da hat er dem die Peitsche aus der Hand gerissen und hat  die Peitsche, den umgekehrten Peitschenstock, den Peitschenstiel genommen und hat dem kreuz und quer welche auf den Kopf geschlagen, so dass der zusammengebrochen ist. Und da hat er so'ne Angst gehabt, dass er zum Bahnhof gegangen ist und ist weggefahren.

Kurt M. jun.

Sofort. Stehenden Fußes.
 

Kurt Müller sen.

Stehenden Fußes. Dann ist er nach Amerika gekommen.
Er wusste natürlich, dass der eine Onkel schon in Amerika war.
 

Kurt M. jun.

Wie lange war das her, dass der ausgewandert war?
 

Kurt Müller sen.

Schon früher, als der Onkel Simon, den ich noch kennengelernt
habe, in Amerika, als der so 10 Jahre alt war.
 

Kurt M. jun.

Und da ist er mit dem Zug nach Bremen gefahren? Oder wohin?
 

Kurt Müller sen.

Und ist als Zwischendeckpassagier nach Amerika gefahren.
 

Herta Müller

Pass brauchte man damals nicht?
 

Kurt Müller sen.

Nein, das war alles nicht so wichtig.
 

Kurt M. jun.

Und woher hat er das Geld gehabt?
 

Kurt Müller sen.

Ja, das war das Geld, was er abgeholt hatte von der Bank. Was der Großvater da gesagt hat, das weiß ich auch nicht. Wird auch was Schönes gesagt haben.
 

Kurt M. jun.

Was hat er dann da gemacht in den USA?
 

Kurt Müller sen.

Ja, der hatte ja  ein Baugeschäft, der Onkel. Der war ja Maurer.  Da hat er regelrecht gemauert. Da ist er 7 Jahre gewesen. Mit 16 oder 17 Jahren* ist er rüber.

Rechts:
Emil Müller
als "Gardepionier"
in Berlin um 1894

Herta Müller

Das hängt eben damit zusammen, dass er überhaupt aus so einem liberalen Haus kam.
 

Kurt Müller sen.

Natürlich!


 
Herta Müller

Da war keiner Beamter und nichts. Mein Vater hätte überhaupt nicht drüber nachgedacht, das war selbstverständlich.
 

Kurt M. jun.


Welche parteipolitische Einstellung hatte dein Vater?
 

Kurt Müller sen.


Der war liberal. Der kam ja mehr oder weniger aus einem sozialdemokratischen Haus, hat auch sozialdemokratisch gewählt. Nach dem ersten Weltkrieg war er so sozialliberal, so Deutsche Volkspartei, Richtung Dr. Stresemann, der Deutschland in den Völkerbund brachte.

sMuellerEmil1894bK1M2S.356

* Laut

Schiffspassagierlisten

ereignete die Episode sich im Sommer 1885, als Emil noch 14 (fast 15) Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt war sein Onkel

Ferdinand Simon

erst seit drei Jahren in den USA.

s6 PortrExcColMod.67.60

Kurt Müller sen.

Als mein Vater aus Amerika zurückkam, musste er sofort Soldat werden. Da wurde er  "Gardepionier". Aber er hatte ja kein Einjähriges [

=Mittlere Reife

], also musste er drei Jahre dienen. Und weil er Gardepionier war, hatte er so schwarze Federbüsche auf dem Helm. Die Gardepioniere wurden auch zur Wache eingeteilt. Da hat er sich immer so empört. Er war ja zur Wache eingeteilt auf dem Schloss. Da hat er sich immer geärgert, sagte er, wenn da so'ne Amme kam, hatte so'nen kleinen Prinzen von einem Jahr, so'n Baby auf'm Arm, da mussten sie strammstehen, "Präsentiert das Gewehr!" machen. Und dann rebellierte sein liberales Herz, dann wurde er aufsässig und hat immer an sich halten müssen.

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