Familiengeschichte  Müller - Humphreys

geboren am 11. September 1909  in Metz
gestorben am 27. Oktober 1997  in Vaale
geboren am 8. August 1904 in Elberfeld
gestorben am 23. Dezember 1982 in Gütersloh
 

Herta Heitmann

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Kurt Müller

 sen.

 
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s47.Wentscherbrief.Eisenach2a.638
s48.Wentscherbrief.Eisenach2b.645

Brief von

Lotte Wentscher

aus Eisenach an Herta Müller in Kempen

geschrieben am 13. November 1938

s188.Wentscher.Portr

Lotte Wentscher

Der unten wiedergegebene und (im Rahmen des Möglichen) transkribierte Brief wurde nur 4 Tage nach der Progromnacht vom 9. November 1938 geschrieben (dem Tag, an dem zudem Herta Müller, die Adressatin, eine Fehlgeburt erlitten hatte, was aber die Schreiberin des Briefes kaum wissen konnte). Auf die Progrome, die auch an ihrem damaligen Wohnort, Eisenach, stattfanden, geht Wentscher mit keinem Wort ein. Für sie, die sich in persönlichen Kontakten immer wieder sehr offen als entschiedene Gegnerin der Nazis zu erkennen gab, wäre allerdings eine schriftliche kritische Äußerung vermutlich allzu riskant gewesen. Trotzdem fällt auf, jedenfalls aus heutiger Sicht, wie wenig beeindruckt von den Ereignissen der Brief in Tonfall und Alltagsthematik zu sein scheint. Jedoch, was können, was würden wir eigentlich erwarten?

Eisenach den 13. November 38
Altstadtstr 83

(Evangelisches Kinderhaus Hedwig von Eichel)


Mein liebes Heitmännchen
Ihr lieber Brief freute mich sehr und befreite
mich vor allem von einer großen Sorge, ich fürchtete, Sie
seien krank. Daß das nun nicht stimmt, und daß Sie es gut
haben, das freut mich sehr, Sie sind ja natürlich selber auch
aktiv daran beteiligt, wenn Ihr Leben harmonisch ist.
Was Sie von Lienenbrügger schreiben, hat mich sehr be-
wegt. Er ist ein unglückseliger Kerl und brauchte viel-
leicht eine Frau, die ihm mehr imponiert. Die arme
kleine zarte Frau ist ihm gar nicht gewachsen, ich wuß-
te es schon lange, daß er zuweilen etwas brutal sein

kann. Daß er sich bemüht, eine so alte Kanone

einzuschüchtern, ist
recht lächerlich und kann ihm schlecht bekommen.
Wissen Sie, daß Martha Busch jetzt unter die Berufsbera-
ter gegangen ist? Sie praktiziert in Koblenz und wird in
Kochem angestellt werden. Sie nimmt die Sache mit dem nöti-
gen Humor und wird so, wo sie nicht  ......
 ......    muß, auch hoffentlich glücklich werden. Sie schrieb
gestern eine Karte von einer Tagung in Bertrich, bei der auch
Brendgen und Lorenzini waren, die sogar eigenhändig Grüße dran
schrieben. Wie es in Köln ausgehen mag, nachdem nun Haeger
den Posten nicht bekam, ahne ich nicht, alle sind recht schreib-
faul. Gewiss ist es für ihn traurig, daß er nicht bestätigt
     Hier stecken wir schon  tief in den Weihnachtsvorbereitungen. Wir
haben am Totensonntag einen Verkauf von  Weihnachtsarbeiten, der
uns das Geld für die Weihnachtsaufführungen in Kindergarten und Hort
einbringen soll. Dafür haben wir schon seit Jahren gesägt, ge...  , ge-
malt und gewebt. Und  wir 5 Lehrkräfte haben für alle Schülerin-
nen und Kinder  Weihnachtslaternen mit kleinen ...
gemalt und geschnitten, 180 Stück im ganzen, das ist eine Risen-
arneit gewesen, aber eine sehr hübsche. Ich hab hier auch Malen und Zeichnen gelernt, wie ein Anfänger zwar, aber ich hoffe doch, es
auch mal bis zum Durchschnittsmenschen zu bringen. "Das kann
ich nicht" darf man sich nämlich nie sagen, so muß man sich eben
an alles herantrauen.  Am meisten wundert michs ja, daß
ich das Unterrichten geschafft habe, ein wenig beängstigt michs
ja immer noch, aber nach den ersten Minuten geht es dann.
Vor einiger Zeit hörte ich von Frau Pilz-Sandsberg(?),
ihr Mann ist jetzt in Dortmund, so ist sie der Heimat doch wieder
nähergerückt als in Oldenburg.
Meine Schwägerin sitzt in Berlin, sie hat Ostern das Schauspielerexamen gemacht und versucht nun, eine Stelle zu krie-
gen, bisher völlig ohne Erfolg. Mein armer Bruder hütet seine
2 Kinder und wartet darauf, daß sie mit geknickten Federn wieder
nach Haus kommt, aber sie ist so von ihrer Sendung überzeugt,
da´sie aller Mißerfolg nicht stört, das ist ein großer Kummer.
Liebes Heitmännchen, Sie versprachen mir einst
eins der hübschen Bilder, die Sie in Köln machen ließen. Darf
ich Sie daran erinnern, ich würde mich sehr darüber freuen,
wenn Sie mir eines zu Weihnachten schenken möchten.
Seien Sie mit Ihrem lieben Manne sehr herzlich
gegrüßt
von Ihrer Lotte Wentscher

wie die Aachener Kollegin