Der unten wiedergegebene und (im Rahmen des Möglichen) transkribierte Brief wurde nur 4 Tage nach der Progromnacht vom 9. November 1938 geschrieben (dem Tag, an dem zudem Herta Müller, die Adressatin, eine Fehlgeburt erlitten hatte, was aber die Schreiberin des Briefes kaum wissen konnte). Auf die Progrome, die auch an ihrem damaligen Wohnort, Eisenach, stattfanden, geht Wentscher mit keinem Wort ein. Für sie, die sich in persönlichen Kontakten immer wieder sehr offen als entschiedene Gegnerin der Nazis zu erkennen gab, wäre allerdings eine schriftliche kritische Äußerung vermutlich allzu riskant gewesen. Trotzdem fällt auf, jedenfalls aus heutiger Sicht, wie wenig beeindruckt von den Ereignissen der Brief in Tonfall und Alltagsthematik zu sein scheint. Jedoch, was können, was würden wir eigentlich erwarten?