Geschichte des Brakenhauses

©   Kurt Müller 2023
 
 

Das Brakenhaus

BrakenhausUm1960KSmS

Das Brakenhaus, aufgenommen um 1960
von Joachim Poggenklaß (*1948) mit einer "

Agfa Clack

"

BrakenhausHeuteK

Das Brakenhaus
im Jahr 2006 nach
der Sanierung
durch Johanne Hornbergs
Urenkel Ulrich Poggenklaß

Die hier dargestellten Erkenntnisse über das Brakenhaus verdanken wir zu großen Teilen einer bewundernswert kenntnis- reichen Forschungsarbeit zur Geschichte dieses Anwesens, die von der

Ottensmann

- Nachkommin Gisela Kerker (verstorben 2015) und von

Renate Plöger

2015 verfasst und 2016 publiziert wurde*. Der Bericht trägt viele uns bisher unbekannte, oft regelrecht überraschende Informationen zusammen und setzt sie zueinander in Beziehung. Die Erkenntnisse dieses Berichts werden hier z.T. ergänzt durch Informationen aus familiärer Überlieferung und aus eigener Recherche, insbesondere im Kirchenbuch.

Das "Brakenhaus" - so wurde früher lange Zeit der Kotten Isselhorst Nr.

f

61 (heute: In den Braken 32, Gütersloh) bezeichnet, z.B. auch von Heinrich Heitmann 1936 in einem

Brief

an seine Mutter. Auf dem Anwesen mit dieser Hausnummer, vermutlich sogar im Kotten selbst wurde

Johanne Hornberg

am 29. Juni 1846 geboren, hier wuchs sie auf, und hier starb sie auch, an ihrem 96.Geburtstag.

Wilhelm Heitmann

, Johannes Mann, kaufte das Anwesen zu Beginn der Ehe und wurde damit sein Erbpächter (Kolon). Er betrieb hier seine Nagelschmiede. Hier wurde am 5.5.1878 als zweitjüngstes Kind des Ehepaares

Heinrich Heitmann

geboren, der Urgroßvater von Robin und Katya Müller.

Das Anwesen Isselhorst 61 war Teil eines schon seit ca. 1500 zum Isselhorster Meierhof gehörenden Geländes. Wann dieser Teil erstmalig bebaut und bewohnt wurde, wissen wir nicht; am Ende des 18. Jahrhunderts jedenfalls bildete es eine kleine Erbpachtstätte* von zunächst nur ca. einem dreiviertel Hektar, zu der im 19.

.

Jahrhundert aber noch große Felder von ca. 1 Hektar am Haverkamp (damals: Haberkamp, s.

.

Lageplan rechts) hinzugepachtet wurden; wie üblich, musste ein jährlicher Pachtzins an den Meyer von Isselhorst (ein Mitglied der heute noch den Meierhof bewohnenden Familie Mumperow) gezahlt werden. Aber stand bereits ein Wohngebäude? Haus Nr.

f

60 (ein­Nachbarhaus) wurde 1807 erbaut. Dies legt nahe, aufgrund der üblichen chronologischen Nummerierung nach Baudatum, dass das erste Wohngebäude Nr.

f

61 irgendwann nach 1807 errichtet wurde. Aber auch auf einer Flurkarte aus dem Jahr 1822 ist das Anwesen Nr. 61 - anders als Nr.

f

60 - noch nicht verzeichnet. Wurde es also auch erst nach 1822 erbaut?

*  

Das Brakenhaus und seine Besitzer.

 

Aus der  Geschichte einer Erbpachtstätte

,
von Gisela Kerker

und

Renate Plöger

, in:

Der Isselhorster

; März 2016;

Ausgabe 137

, Seiten 20-25;   Gütersloh 2016   (Hrsg.:

Heimatverein Isselhorst

)

 
19530225 Flurkarte.Liegenschaften.Heitmann.414

Haberkamp

Bildschirmfoto_2019-01-11_um_20.43.18_Kopie_9
Bildschirmfoto_2019-01-11_um_20.43.18_Kopie_10

Landstraße nach Hollen

Richtung Kirche

Kotten

Haupthaus

1 Hektar Äcker
und etwas Wald
zu Haus Nr.61

1,05 Hektar Äcker und Hof

Nr. 61

heutige Dorfstraße

Bildschirmfoto_2019-01-11_um_20.43.18_Kopie_9
Bildschirmfoto 2019-01-11 um 20.43.18 Kopie 10

Lutterwald

 

Die Bezeichnung "Brakenhaus" stammt vermutlich aus der Zeit, zu der vom alten Gebäudeensemble nur noch der Kotten (in der Bildmitte) mit seinen Nebengebäuden stand.  Es ist heute jedenfalls kaum noch bekannt, dass, wie Kerker und Plöger* (s.u.) recherchierten, das Anwesen Isselhorst Nr. 61 im 19. Jahrhundert nicht nur den heute noch stehenden Kotten (In den Braken 32), sondern auch ein, vermutlich spätestens um 1900 abgerissenes, Haupthaus umfasste, das ebenfalls ein Fachwerkbau war und wohl an der Stelle des um 1910 von der Familie Poggenklaß errichteten Ziegelbaus stand, dessen Bau offenbar zu einer Änderung / Aufspaltung der Nummerierung führte: der Ziegelbau erhielt die neue Nummer 211 und hat heute die Adresse In den Braken 30, während die ursprünglich auf das gesamte Anwesen bezogene Nummer 61 sich seit dem Abriss des alten Haupthauses ganz auf den - vorher, z.B. bei Johannes Geburt, mit "

bei

Nr. 61" adressierten - Kotten bezog, der dann auch als das "Brakenhaus" bezeichnet wurde. Das Foto von 1960 zeigt den Kotten und einen Teil seiner Nebengebäude während einer Phase, die von geringer Nutzung und bereits einem gewissen Verfall gekennzeichnet war. Dies änderte sich jedoch wieder, und zwar letztlich fundamental dank Ulrich Poggenklaß, der das Haus in seiner historischen Struktur und zugleich neuer Schönheit auferstehen ließ (s.u.).

***Randnotiz: Wilhelm Heitmanns Mutter entstammte, obzwar eine geborene Reckmann, dennoch patrilinear derselben Familie  wie J.F.Jostmann, der den Familiennamen seiner Frau angenommen hatte, wie auch bereits sein Vater den Familiennamen der Mutter, Dopheide, angenommen hatte. Beide männlichen Linien, also die männliche Vorfahrenlinie von Wilhelm Heitmanns Mutter ebenso wie die der angeheirateten Tante seiner Frau und zwischenzeitlichen Besitzerin des Anwesens, durchliefen, typisch für Westfalen, mehrfach Namenswechsel und gehen auf dieselbe Steinhäger Sippe zurück, die Familie Pollvogt.

* Im Preußen des 19. Jahrhunderts, nach den v.a. ab 1807 umgesetzten Stein- Hardenbergschen

Reformen

(u.a. "Bauern- befreiung"), war die

Erbpacht

das vererbliche und verkäufliche Recht, gegen eine Pacht ein fremdes Grundstück bewirtschaften zu dürfen und die Früchte daraus zu ziehen. Der Pächter konnte mit dem Grundstück im Prinzip umgehen wie ein Eigentümer. Wenn der Vertrag oder die gesetzliche Erbordnung nichts anderes bestimmte, konnte der Erbpächter das Gut frei veräußern, ver-pfänden und vererben. Starb die Familie des Erbpächters aus, so fiel das Gut an den Obereigentümer zurück. Die Erbpacht war also eine  (unbefristete) Form geteilten Eigentums und enthielt nur noch rudimentäre Merkmale der nun großenteils abgeschafften feudalen "

Grundherrschaft

" (s.

.

auch Erbunter- tänigkeit, Leibeigenschaft).

Johannes Vater Friedrich Hornberg und ihr Großvater Johann Henrich kamen aus dem - zum Kirchspiel Isselhorst gehörenden - Nachbardorf

Hollen

. Zumindest während ihrer letzten Jahre lebten und arbeiteten sie in den Braken als Heuerlinge**, Erbpächter* waren damals, nacheinander, Johannes Onkel F.W. Kosfeld und ihr Stiefvater Friedrich

Ottensmann

(Einzelheiten siehe

hier

).

LuftbildIsselhorstCa1970.500

Kotten
(Hausnr.61 seit 1900)

Isselhorst

Haus 211

In den Braken (Historische
Erbpachtstätte Isselhorst 61)

Lage des Brakenhauses innerhalb des Dorfes

Luftbild von ca. 1980

DSC07501.600

Anwesen
im Jahr
2006

** Ein

Heuerling

stand - im Gegensatz zum kaum kündbaren Erbpächter -  in einem (meist jährlich) kündbaren und keinesfalls vererbbaren oder verkäuf- lichen Pachtverhältnis. Typischerweise bewirtschaftete er selbständig ein kleines Stück Land mit einem zu einem Bauernhof gehörenden Heuerlings- haus (in Westfalen meist ein "Kotten"), musste aber die Pacht v.a. in Form von Arbeitsdiensten entrichten. So sehr sich hier auch gewisse ländliche Klassenunterschiede der bäuerlichen Welt v.a. des 18. und 19. Jahrhunderts manifestieren, zeigt doch das Beispiel Brakenhaus, dass es sich bei Heuerlingen ebenso wie Erbpächtern nicht um festgefügte soziale Schichten handelte. Siehe auch: "

Heuerlinge in Isselhorst

".

 
Famgesch
 geboren  am  29. Juni 1846  in Isselhorst 61   
gestorben am 29. Juni 1942  in Isselhorst 61
s3.HornbergJohanne.52

Wilhelm Heitmann

Johanne Hornberg

geboren am 16. Januar 1845  in Hollen
gestorben am 19. Juli 1917  in Isselhorst
s3.Portrait.50
BrakenhausKuh.605
Torbalken.1050

Unten: Dieses Foto des Brakenhauses aus den 1930er Jahren ist die einzige erhaltene Abbildung des Deelentorbalkens (s.o.) und damit die zur Zeit einzige Informationsquelle zum Ursprung des

Bekannt ist, dass der Pachtstatus des Anwesens sich im Jahr 1823 änderte: in nur mündlich geschlossenen Verträgen wurde es freigekauft durch den damaligen Erbpächter* "Brackemann" (die Familie wurde so genannt nach den "Braken", der alten Geländebezeichnung, seit B.s Vater, geboren als Westheide, Nachfolger des Vor-Pächters Kramer geworden war). Das Eigentumsrecht des Meierhofs an dem Anwesen ging damit im Prinzip auf Brackemann über, auch wenn wohl noch nicht alle Abgabenpflichten beendet wurden. Und weil bekannt ist, dass im selben Jahr noch (1823) das Anwesen für 350 Taler an Johann Friedrich Jostmann geb. Dopheide*** weiterverkauft wurde, ist anzunehmen, dass spätestens nunmehr auch ein Haus auf dem Grundstück stand, und zwar mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zuerst das Haupthaus, vielleicht als Neubau.
 
Deer nächste Erbpächterwechsel jedenfalls vollzog sich dann 1839, als eine Tochter des Käufers von 1823, Katherine Marie Elisabeth Jostmann, das Anwesen übernahm, zusammen mit ihrem Ehemann Friedrich Wilhelm Kosfeld (auch er vermutlich seit der Heirat 1833 schon auf dem Hof), einem Onkel von Johanne Hornberg, der nun Erbpächter* wurde. Erstaunlich ist, dass auch erst bei diesem Anlass sämtliche Transaktionen von 1823 einschließlich der Statusänderung des Anwesens aktenkundig und publik wurden. Denn  erst jetzt, 1839, wurde der offenbar viele Jahre lang nur einer Handvoll Menschen bekannte Handel durch die ehrlichen Erben der - inzwischen sämtlich verstorbenen - Vertragsbeteiligten schriftlich besiegelt.

Auf dem Hof lebten zudem ab 1845/46 - vermutlich im Kotten - auch Johannes Eltern, ihr  Vater Friedrich Hornberg (gest.1850) als Heuerling** und ihre Mutter Hanna Wilhelmine Henriette, Kosfelds Schwester.

Zuverlässigere und genauere Informationen darüber könnten die historischen Liegenschaftskataster enthalten, und zwar sowohl über die Errichtung des Kottens als auch über seinen Ursprung. Es ist nämlich mündlich überliefert, dass der Kotten kein echter Neubau war, sondern dass das Gebäude von einem anderen, relativ weit entfernten Standort, an dem es sehr lange gestanden hatte, als "Bausatz" nach Isselhorst transportiert und dort wieder zusammengesetzt wurde.........
 
Winckelmann Heepen etc.


Um diese Zeit herum, nach 1840, nahm auch insgesamt die Anzahl der Bewohner des Anwesens so sehr zu, dass die Errichtung eines zweiten Gebäudes in den Jahren bis 1846 hoch wahrscheinlich ist, ja, es erscheint sogar wahrscheinlich, dass ein solcher Plan bereits von Anfang an mit dem Kauf des Anwesens durch Kosfeld verbunden war, nachdem Johannes Eltern kurz vorher (1837) geheiratet hatten, dass es aber einige Jahre brauchte, um ihn umzusetzen.

Das Haupthaus dürfte also seit spätestens 1823 auf dem Grundstück gestanden haben, der Kotten kam jedoch vermutlich erst später hinzu. Wann genau, ist zwar nicht bekannt, aber wir kennen das ungefähre Zeitfenster dafür. Wir nehmen an, dass er nach dem Haupthaus, also (in Anbetracht der Flurkarteninformation von 1822) nicht vor 1823 errichtet wurde, aber vor 1846, dem Jahr von Johanne Hornbergs Geburt. Sie nämlich wurde "

bei

Nr. 61" geboren, eine Formulierung, die benutzt wurde für Ereignisse, die in einem Nebenhaus, in der Regel einem Heuerlingskotten, stattfanden. Bis mindestens Mitte 1845 hatten ihre Eltern noch als Heuerlingsfamilie auf dem Anwesen des Großvaters Hornberg, Hollen Nr. 23, gelebt. 1846 war ihr Vater dann der erste Heuerling in Isselhorst Nr. 61, nachdem sein Schwager Kosfeld 1839

Unten: Lage des Anwesens Isselhorst Nr.61 und der dazu gehörenden Ländereien (modifizierter Lageplan von 1954)

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