Kurt Müller sen.


Ja, und die ganzen Veränderungen nach dem Krieg, die schlugen sich auch in der Schule nieder.*
In der Obersekunda, da war ich denn so schlecht, vor allen Dingen so aufmüpfig geworden, dass ich mit keinem Lehrer mehr zurechtkam. Obwohl ich, das muss ich heute wirklich sagen, ich hatte Lehrer, die es gut mit mir meinten. Die also den echten, edlen Kern in mir entdeckten.. [

Augenzwinkern hörbar

]. Das war denn in der Obersekunda, wo ich alles verspielt hatte. Wir machten einen Ausflug ins Burgholz runter bis zur Kohlfurter Brücke und marschierten dann, wir waren in der Obersekunda, zurück durch das Wuppertal, das war sehr schön. Und unser Klassenlehrer Dr.Erdmann, der ging mit. Den hab' ich eigentlich später erst schätzen gelernt, als ich schon aus der Schule war. Ich hatte immer so'n bisschen, ja, Groll auf ihn. Er konnte so ein bisschen ironisch-parodistisch sein. War auch einer der jungen Lehrer, die nach dem Weltkrieg aus dem Krieg zurück kamen.
 
Die waren alle Offiziere gewesen, und die fingen an mit feldmarschmäßigem Kommando, so gingen die in die Klassen rein: "Aufstehn! Setzen! Aufstehn! Setzen!" So in der Form. Und das war natürlich was für mich. Ich hatte inzwischen von meinem Vater, der als Soldat, vor allen Dingen übergewichtiger Soldat, viel gelitten und viel verloren hatte, hatte ich den richtigen revolutionären Geist mitgekriegt...
 

Kurt M. jun.


.. den antimilitärischen..

 
Kurt Müller sen.


den antimilitärischen..., sein zweites Wort war immer: "Lass dir nix gefallen!"

 
Herta Müller


Also sowas wär bei uns gar nicht möglich gewesen, "Lass dir nix gefallen!", habe ich nie gehört. "Die werden schon wissen, warum sie diese Note geben." oder so...

Kurt Müller sen.

Jedenfalls wir saßen dann hier, wenn das die Schulbank war, ich saß hier, der Platz war leer, neben mir, da war der Gang. Jedenfalls, ich hatte eine ganz große Frechheit begangen. Und da wurde der Dr.Erdmann so wütend und kam hier an die Bank, an die Seite, wo ich nicht saß, und sagte: "Ich

hau

Ihnen jetzt eine runter! [

drohender, dramatischer Tonfall!

]." Und da trat ich von meiner Stelle an die Seite, wo er stand, und lachte: "Bitte schön!" und hob meine Hand. Da ging der bleich und wutentbrannt raus. Hat aber nichts gesagt, hat keine Konferenz einberufen, nix.
 

Herta Müller

Ja, so weit durfte er das ja auch nicht kommen lassen, dass er das sagte.
 

Kurt Müller sen.


Und dann, jedenfalls, einige Wochen darauf, war dieser Spaziergang, da hat er sich eigentlich sehr nett mit mir unterhalten. Und dann wurde vom Pfuschen gesprochen, vom Pfuschen in der Schule usw.. Und dann war ich so blödsinnig und hab von der moralischen Berechtigung des Pfuschens eine Rede gehalten. [

lacht...]

Das war natürlich der ganz große Fehler. Am nächsten Tag, in Latein: "Müller, kommen Sie mal an die Tafel!"  Da war jede Gelegenheit zum Pfuschen vorbei. Und da fiel ich natürlich nach Strich und Faden rein. Und dann ging's rapide abwärts,  wie singt die Hildegard Knef immer, von da an ging's...

 
Herta Müller


Von da an ging's bergab.

 
Kurt Müller sen.


Von da an ging's bergab, nicht. [

lacht

].

* Die politische Situation und Entwicklung am Elberfelder Städtischen Realgymnasium schildert Winfried Herbers in seinem Essay "

Realgymnasium 'Aue' und Novemberrevolution 1918

"

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Jugend: Realgymnasium - Konflikte

RealgymnHeute6
WappenRealgymn.jpg

Oben: Das Gymnasiumsgebäude heute *
 
Das Gebäude beherbergt heute die katholische St.Laurentius-Schule. Der allergrößte Teil des seinerzeit großzügig angelegten Schulgeländes aber, Schulhof und Nebengebäude fielen 1961 dem Bau einer Hauptverkehrsstraße zum Opfer.
 
Das "Gymnasium Aue" verließ dann 1975 den Standort, wurde "Gymnasium Süd", bis es 1986 den Namen "

Carl-Fuhlrott-Gymnasium

" erhielt, nach

J.C.Fuhlrott

, demjenigen Lehrer der Schule, der im Jahr 1856 die im Neandertal gefundenen Knochen erstmalig als die eines altsteinzeitlichen Menschen identifizierte.

 
* Die Abbildung ist ein Ausschnitt aus einem Foto, das unter der
Creative-Commons-Lizenz" lizenziert ist und dessen Rechte bei dem Wikimedia-User  Atamari liegen.
Realgymn3 Kopie 2

Oben: Das Städtische Realgymnasium (Gebäude von 1900, gelegen in der Aue 93) mit seinem ursprünglichen Schulgelände (Schulhof etc.)

Kurt Müller

(sr.)

UnterschriftGruen.jpg
geboren am 8. August 1904 in Elberfeld
gestorben am 23. Dezember 1982 in Gütersloh
Portraet2.jpg
Familiengeschichte Müller - Humphreys
Gespräch aus dem Jahr 1982
 
 
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