DIE ZEIT 20/2005
Aus einem Artikel von Richard David Precht:
 
So stand zum Beispiel der Berliner Psychologieassistent Oskar Pfungst 1904 in einem ganz besonderen Dilemma. Das »Wunderpferd«, das er auf einem Berliner Hinterhof begutachtete, war nach der festen Überzeugung seiner Freunde »berufen, die alte Frage nach der Denkfähigkeit der Tiere zu entscheiden und damit die herrschende Weltanschauung von Grund aus umzugestalten«. Das Pferd Hans schien perfekt zu lesen und ausgezeichnet zu rechnen. Offensichtlich beherrschte es die einfache Bruchrechnung und erhob Zahlen bis zur dritten Potenz, unterschied eine große Reihe von Farben, kannte den Wert deutscher Münzen, den Wert der Spielkarten, erkannte Personen nach Fotografien und verstand bestens die deutsche Sprache. Der Kaiser persönlich interessierte sich für das Tier, und Pfungst sollte klären, was die Experten bislang nicht zu klären wagten: Wahrheit, Intelligenz und Tiervernunft – oder Trick und Schwindel?
 
Pfungst entschied sich für die sichere Seite, indem er auf Schwindel erkannte. Das Ergebnis seiner Untersuchung über den »Klugen Hans« ist vernichtend: Das Pferd sei nicht schlau, es könne weder rechnen noch sonst etwas. Es habe lediglich gelernt, kleine Veränderungen in der Körperhaltung seines Trainers fein zu unterscheiden.
 
Der Elberfelder Juwelier und Privatforscher Karl Krall aber ließ nicht locker. Gemeinsam mit Hans’ Besitzer, dem pensionierten Elementarschullehrer Wilhelm von Osten aus Berlin, legte er dem Pferd Scheuklappen an und wiederholte alle Experimente auch mit einem blinden und geruchsbehinderten Pferd äußerst erfolgreich.
 
Die Wissenschaft aber hatte dem Fall längst den Rücken gekehrt. Selbst die akribischen Versuchsreihen zur Erforschung »kluger Tiere« brachten Krall kaum Anerkennung. In seinem »psychologischen Laboratorium« im Reitstall des Geheimen Kommerzienrates August von der Heydt in Elberfeld experimentierte der fleißige Autodidakt mit insgesamt elf Pferden und zwei Eseln, einem Pony sowie einem Elefanten. Doch seinem 540 Seiten starken Buch Denkende Tiere (1912) war nur ein mäßiger Erfolg beschieden.
 
Nicht anders erging es der Tierseele, Kralls Zeitschrift für vergleichende Seelenkunde. Überall sammelte er Berichte über angeblich sprechende und denkende Pferde, Hunde, Katzen und Vögel. Dass es ihm gelang, Kapazitäten wie den Genfer Psychologen Eduard Claparède, den Basler Psychiater Gustav Wolff, den Vater des Schweizerischen Nationalparks Paul Sarasin und die bekannten Zoologen Ludwig Plate und Heinrich Ernst Ziegler von der Denkfähigkeit seiner Pferde zu überzeugen, nutzte ihm wenig. Demoralisiert und finanziell am Ende, machte er im Jahr 1916 seinen Versuchsstall dicht. Die Elberfelder Pferde aber, darunter der Kluge Hans, zogen als Packrösser in den Krieg.
Aus "Russlands Pferde" (www.unsere-kabardiner.de)
 
Der kluge Hans

 
Wie intelligent und kommunikationsfähig sind Tiere wirklich?? Verfügen sie tatsächlich über eine selbständige Intelligenz?? Mit derartigen Fragen, haben sich sicher schon viele gelehrte Leute beschäftigt. Eine alte Redensart besagt: "Überlass das Denken den Pferden, die haben einen grösseren Kopf". Ob so auch der pensionierte Berliner Lehrer Wilhelm von Osten (1838 - 1909) dachte, als er seinem Kutschpferd Hans Rechenunterricht erteilte?
 
Hans war ein schwarzer Orlow-Traber, den von Osten im Jahre 1890 (teilweise wird hier auch in einigen Aufzeichnungen das Jahr 1900 genannt) erworben haben soll und hier beginnt die Geschichte des Pferdes, dass unter dem Namen "der kluge Hans" zu Beginn des letzten Jahrhunderts durch seine Klugheit weltweites Aufsehen erregte und Schlagzeilen machte.
 
Hans erlernte innerhalb von zwei Jahren drei Grundrechenarten, konnte die Uhrzeit erkennen und den Wochentag durch entsprechendes Aufklopfen mit dem rechten Vorderhuf angeben. Zur Lösung der Rechenaufgaben klopfte er so lange mit dem Huf auf den Boden, bis er bei der richtigen Zahl angelangt war. Auch die deutsche Schrift - geschrieben und gedruckt - konnte der Hengst fliessend lesen. Hierzu wurden ihm auf einer Reihe von Tafeln verschiedene Wörter geschrieben und eines davon genannt., woraufhin der Hengst zu der Tafel ging, auf der das betreffende Wort stand und diese mit der Nase berührte. Personen erkannte Hans, auch wenn er sie über eine lange Zeit nicht gesehen hatte wieder, auch von Fotos, selbst wenn diese schon sehr alt oder die betreffende Person mit dem ausgewählten Foto keine Ähnlichkeit mehr aufwies. Auch Farben, Töne und Münzen konnte Hans unterscheiden.
 
Neben seinen Rechen- und Lesekünsten verblüffte Hans das Publikum auch mit korrekten Antworten auf Fragen über die anwesenden Personen - so zählte er auf Wunsch Objekte aller Art (z. B. Schirme, Hüte), auch nach Geschlechtern getrennt. Von Osten war überzeugt davon, dass diese Fähigkeiten von Hans ein offensichtlicher Beweis für die Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit des Pferdes war. Er publizierte seine Ergebnisse und führte Hans Fähigkeiten als Beweis öffentlich vor. Faule Tricks und Manipulation, wie Skeptiker vermuteten, wurden von angereisten Wissenschaftler aus aller Welt ausgeschlossen. Allerdings schienen Hans Fähigkeiten weniger im Bereich der Mathematik als im Bereich der visuellen Wahrnehmung zu liegen.
 
Der Psychologe Oskar Pfungst kam nach einer eingehenden Untersuchung und mehreren Versuchen zu dem Ergebnis, dass Von Osten durch winzige, völlig unbewusste Bewegungen seines Kopfes dem Hengst signalisierte, wann er klopfen oder mit den Hufschlägen aufhören sollte. Schon eine Kopfbewegung um einen Fünftelmillimeter soll ausgereicht haben, um Hans zu signalisieren, dass er mit dem Klopfen aufhören sollte. Für die Wissenschaftler war damit das Thema erledigt - das Rätsel um den klugen Hans war - so schien es zumindestens - gelöst. Und obwohl von Osten versuchte durch neue Experimente - Hans musste z. B. im Dunkeln rechnen, wenn er selbst nicht im Raum war oder die Antwort nicht kannte - weitere Nachweise zu erbringen, interessierte sich niemand mehr dafür.
 
Im Jahre 1909 starb Von Osten und vermachte Hans dem Juwelier und Kaufmann aus Wuppertal-Elberfeld Karl Krall, der die Experimente mit dem klugen Hans verfolgt hatte. Krall teilte die Ansichten von von Osten und setzte die Experimente unter anderen Bedingungen und auch mit anderen Pferden fort. Krall schaffte es mit den "rechnenden Pferden von Elberfeld" wieder das Interesse der Wissenschaft zu wecken, was von Osten nicht mehr gelungen war. Er richtete ein eigenes "psychologisches Laboratorium" für Pferde und einen "Stall für Unterrichtszwecke" ein und richtete sein Leben darauf aus, Pferden das Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Fremdsprachen und diverses andere beizubringen. Um den Nachweis zu erbringen, dass optische Signale keine Rolle spielen konnten, brachte er sogar dem stockblinden Hengst Berto das Rechnen bei. Über eine wirklich gesicherte Erklärung für die rechnenden Pferde konnte man sich jedoch nie einig werden. Krall`s rechnende Pferde wurden im ersten Weltkrieg zwangsrekrutiert.
 
Die Frage, ob hier der Beweis für die Intelligenz und Kommunikationsfähigkeit von Tieren erbracht worden war oder es sich lediglich um visuelle Wahrnehmung handelte, blieb bis heute ungeklärt...
Die  "Denkenden Pferde" des Elberfelder Juweliers Krall
 
<< eine Seite zurück <<
 
>> z
ur nächsten Seite
>>
 
<< eine Seite zurück <<
 
>> z
ur nächsten Seite
>>
 
©   Kurt Müller 2017
UK-Flagge.gif
FlaggeBRDklein.jpg
UK-Flagge.gif
FlaggeBRDklein.jpg
Homepage auf
Deutsch
 
UK-Flagge.gif
UK-Flagge.gif
UK-Flagge.gif
US-Flagge.gif
Homepage in
English
 
       Startseite
       Kurt Müller sen.
Portraet2.jpg
 
UnterschriftGruen.jpg
geboren am 8. August 1904 in Elberfeld
gestorben am 23. Dezember 1982 in

Familiengeschichte Müller - Humphreys

Aufbruchsjahre 1919 bis 1929

Kurt Müller

(sr.)

Gespräch aus dem Jahr 1982
 
 
BildschirmPfeilweissinvert
menue_button_neu_40_30
Menu
 
Portraet2.jpg