Zur Ermittlung der wahrscheinlichen Vorfahren von David Darmes
Dass genealogische Daten, je weiter wir in die Vergangenheit vorzudringen versuchen, früher oder später unsicherer und auch ungenauer werden, ist eine normale Tendenz. Auf eine solche Datenlage gibt es keine Standardantwort. Meist scheinen Genealogen aber zu der pragmatischen Lösung zu neigen, der Ungenauigkeit und Ungewissheit, die das historische Wissen über solche Zeiten insgesamt kennzeichnet, auch in Form eines etwas weniger strengen Anspruchs an die Datenlage Tribut zu zollen, wie sich z.B. an den dann oft nur noch vagen Schätzungen von Lebensdaten erkennen lässt. Dies ist nicht ohne Risiko, aber im Prinzip durchaus rational. Wenn in einem historischen Umfeld gesicherte Daten fehlen, sichere Zuordnungen nicht möglich sind, bedeutet das Herausfiltern der wahrscheinlichen Zusammenhänge immer noch einen Gewinn. Es bedeutet nicht nur eine realistische Angleichung an das ohnehin ungewissere gesamte historische Wissensumfeld zu jenen Zeiten, sondern auch die Chance, dass immerhin der Restinformationsgehalt der Daten nach Möglichkeit ausgeschöpft und nicht ignoriert wird. Auch wir haben, bei der Frage nach David Darmes' Abstammung, diese pragmatische Haltung gewählt und angesichts der Unmöglichkeit, völlig gesicherte Zuordnungen vorzunehmen, nach den wahrscheinlichen gesucht.
Unterstützend kam hinzu, dass von kompetenter Seite bereits Vorarbeit geleistet wurde, bei der Sichtung der Fakten und bei der - impliziten - Gewichtung der Argumente, aus denen die Lösung sich ableitet. Als Heinz Lavall* - auf den vorangehenden Seiten schon zitiert - sich 2004 mit den Mitgliedern der Familie Darmes/Gendarme im 17.Jahrhundert befasste, hatte er die Informationen über David Darmes (geb. ca. 1757), über die wir heute dank Christine Hühn verfügen, zwar noch nicht vorliegen und konnte sich die Frage, um die es hier geht, noch nicht stellen. Trotzdem stand er vor fast derselben Aufgabe. Es ging nämlich seinerzeit um die Frage nach der Herkunft, genauer: dem Vater dreier Frauen mit dem Geburtsnamen Darm/e/s, die alle zwischen 1665 und 1670 (geschätzt) geboren sind. Es sind dies die um 1665 geborene Susanne Darm, die 1692 in Mimbach Paul Clair heiratete, die um 1670 geborene Anna Darm, die 1699 Johann Eichen heiratete, und die ebenfalls um 1670 geborene Marie Darm, von der sonst nichts weiter bekannt ist, also Frauen aus der Generation von David Darmes. In den Daten, die unmittelbar über diese Frauen vorhanden sind, findet sich kein Hinweis auf irgendeine Abstammung.
Lavall nahm trotzdem eine Zuordnung vor. Auf welcher Grundlage? Er sagt es nicht ausdrückllich, aber offensichtlich schließt er eine Dunkelziffer weitgehend aus, d.h. die Annahme, aus der das dann Folgende sich ableitet, ist: in den Jahren, um die es hier geht, gab es wahrscheinlich keine anderen für die Beantwortung der Frage relevanten Träger des Namens Darm/e/s als die uns (bzw. den saarländischen Forschern) bekannten. Diese Behauptung erscheint auf den ersten Blick vielleicht etwas gewagt, aber abgesehen von Lavalls persönlicher Kompetenz, seinem Überblick über das Geschehen jener Zeit in Ludweiler und seiner überragenden Quellenkenntnis sind es zwei weitere Faktoren, die seine Annahme hochwahrscheinlich machen, Faktoren, die wir bei der Diskussion zur Identität von Isaac Darme/s schon einmal aufgeführt haben.
Der eine Faktor ist die Größe und Geschlossenheit der Gemeinschaft, innerhalb der Zuordnungen stattfinden. Je kleiner und geschlossener sie ist, desto sicherer kann man sein, keine Personen zu verwechseln oder zu übersehen, und desto höher steigt die Grundwahrscheinlichkeit, auch aus wenigen Daten richtige Schlüsse zu ziehen. Und tatsächlich war die Welt von Ludweiler anfangs, auch nach der Wiederbesiedlung noch, sehr klein. Ein zweiter Faktor verstärkt diesen Effekt noch: es ist die extreme Seltenheit des Familiennamens Darm/e/s (und die ebenfalls sehr große Seltenheit des Vorgängernamens Gendarme/s) nicht nur in Deutschland, sondern überraschenderweise auch in Frankreich; durch sie verringert die Wahrscheinlichkeit sich nochmals erheblich, dass weitere Träger dieses Namens im Umfeld von Ludweiler existiert haben - und übersehen werden - könnten.
So wird es insgesamt hochwahrscheinlich, dass die bei Lavall* und Treinen* dokumentierten Familien mit dem Namen Darm/e/s in dem für uns wichtigen Zeitraum tatsächlich einen relativ vollständigen Überblick der damaligen Namensträger darstellen (jedenfalls der männlichen Namensträger, denn weibliche Gemeindemitglieder werden in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts kaum genannt).
Lavall sichtete also die bekannten Namensträger Darm/e/s und Gendarme/s jener Tage, nahm extrem unplausible Fälle (u.a. wegen Alter des Vaters bei Geburt des Kindes) aus der Auswahl und kam dann zu dem Ergebnis, dass nur ein einziger "Kandidat´“noch übrig war, nämlich Jean Darme, geboren ca. 1635 (geschätzt) und verstorben vor 1684.
Alle diese Überlegungen jedoch treffen in völlig gleicher Weise wie auf die drei "vatersuchenden" Frauen auch auf den zur selben Zeit und am selben Ort "vatersuchenden" David Darmes zu, von dem wir ja wissen, dass er aus Ludweiler stammte und um 1657 geboren wurde. Die Schlussfolgerung war einfach: auch hier kam, wenn wir der oben dargelegten Logik und der Expertise Lavalls analog folgen wollen, nur Jean Darme als Vater in Frage. Natürlich ist diese Zuordnung auch in seinem Fall mit denselben schon genannten Einschränkungen bzw. Kautelen verbunden. Es gibt keine Gewissheit, sondern es handelt sich bei all diesen Zuordnungen - im einen wie im andern Fall - um wahrscheinliche Abstammungsbeziehungen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.