18/1.45
[jetzt wahrscheinlich aus Steinamanger / Szombathely, Ungarn]
Mein Liebstes!
Heute hörten wir zufällig, daß der Russe im Osten durchgebrochen sein soll. Wir wissen nicht, was daran alles wahr ist, weil wir keine Nachrichten hören können und keine Zeitungen erhalten. Wenn es so ist, dann hoffe ich, daß es bald gelingt, die Walze aufzuhalten. Die russische Offensive in Ostpreußen hat für uns hier den Vorteil, daß die südliche Front jetzt verhältnismäßig ruhig bleibt. Ich glaube kaum, daß auch der Russe noch imstande ist, an allen Fronten gleichzeitig offensiv vorzugehen.
Es ist nach wie vor sehr kalt hier und es ist auch noch weiter damit zu rechnen. Die Schneestürme scheinen jedoch überstanden. Jeden Tag gruppieren wir uns immer eng um den Ofen, um von seiner Wärme möglichst viel mitzubekommen. Meinen Arbeitstisch habe ich auch schon so gestellt, daß ich mit dem Rücken am Ofen sitzen kann. So kann man es schon aushalten. Nachts friere ich nicht, nachdem ich mir auf raffinierte Weise eine warme Höhle gebaut habe. Gerade serviert mir ein Kamerad eine Tasse heiße Vollmilch. Ja, so etwas kann man in diesem Land, trotz des Krieges noch bekommen.
In den nächsten Tagen fahren die ersten Urlauber wieder. Ich stehe jetzt an 26. Stelle. Und ich glaube, daß es nicht mehr solange dauern wird, es sei denn, daß sich die Kriegslage sehr verschlechtern würde. Wir dürfen nicht klagen. Das gute Wissen um Deine und meine Liebe läßt alles nicht so schwer erscheinen, es macht das Herz ruhig und stark. Wie es Dir geht? Bist Du auch gesund? Wie geht es den Eltern? Ist es noch so schlimm mit den Tieffliegern? Ist in Isselhorst schon was zerstört? Du schreibst mir immer alles, Du Gute.
Ich denke an Dich lieb und herzlich zu jeder Stunde.
Dein Papi