11/12.44
Meine gute liebe Frau!
Wenn ein Weihnachtsgruß zur rechten Zeit bei Dir eintreffen soll, so muß ich ihn doch heute schreiben. Denn nach den gemachten Erfahrungen - ich habe noch immer keine Post von Dir - wird ein Brief so seine 14 Tage brauchen. Zwar kam heute ein ganzer Stapel Post noch von Ende Oktober u. Anfang November an, doch war nichts von Dir dabei. Abgesehen von den Tagen, da mich in B. [=Belgrad] oder auf dem Rückmarsch keine Post erreichen konnte, habe ich noch nie so lange auf Nachricht warten müssen wie jetzt. Es muß aber an den gestörten Verbindungen liegen, denn viele andere warten gleich mir, - daß jedes Weihnachtsfest ein ernsteres Gesicht bekommt, wissen wir zur Genüge. Und trotzdem scheint es mir, daß es auch noch Dinge der Genugtuung oder des Zu-Dank-Verpflichtet-Seins gibt. Denn nun bin ich froh, daß Du Sommers nicht in die Eifel gegangen bist, auch daß Du nicht mehr in Köln bist, und daß die Eltern jetzt in Isselhorst sind und Du so mit ihnen zusammen sein kannst. Gewiß ist vieles beengt und auch wenig angenehm. Aber gegenüber dem großen Leid, das rings um uns täglich und stündlich sich erhebt, haben wir bis heute noch immer einen Teil zu ertragen gehabt, dem unsere Kraft gewachsen war. Und das ist auch mein größter Weihnachtswunsch, daß Gott uns vor schweren Schlägen bewahrt oder aber, daß er unser Herz stark macht für das, was seine Arbeit an uns ist.
Meine Allerliebste! Als ich aus dem Kessel von B. [=Belgrad] heraus war und mir das zum erstenmal bewußt wurde, da habe ich ganz still immer wieder Deinen Namen in mich hineingerufen, als ein Dankgebet dafür, daß ich bei Dir bleiben durfte. Ich glaube, ich habe noch nie so stark und bedingungslos meine Zugehörigkeit zu Dir empfunden, als in jenem Augenblick, und ich schrieb Dir ja schon, daß ich meine Wiederkehr aus B. [=Belgrad] einfach als einen Beweis meines Dir verpflichteten Daseins ansah. Ich weiß nicht, wann ich einmal heimkehren werde. Doch ist es wohl kein Verbrechen, wenn ich mir das bald wünsche. Und wenn es noch nicht so bald sein kann, dann bleibe Du von allem Leid verschont. Gottes Segen hat trotz allem Leid, das Du besonders in diesem Jahr zu tragen hattest, auf uns geruht. Er hat uns unsere Liebe erhalten und vermehrt. Und auch das ist ein Weihnachtswunsch, daß dieser Segen unserem Herzen erhalten bleibt.
Und so kann ich Dir zum Schluß dieses Weihnachtsgrußes, der Dich gesund antreffen möge, nur wieder sagen: ich hab Dich lieb! Behalte Deinen Mut und Deine große Kraft, die ich immer wieder bewundern muß. Ich bin unsagbar stolz, daß du meine Frau bist.
Einen lieben Weihnachtskuß von Deinem Mann.
Den Eltern u. allen Isselhorstern herzliche Weihnachtsgrüße.