Mit der Post scheint es nun zu klappen. Wenn ich auch heute von Dir nichts bekam, so läuft doch der Betrieb wieder. Von Lene Mantz kam etwas Lesestoff, aber kein Brief. Sie ist demnach noch immer in Freudenstadt. Mit den Kämpfen in Straßburg rückt der Krieg auch immer näher. Ein Kamerad erzählte mir heute, daß Köln geräumt würde. Sollte die Übersiedlung Deiner Eltern damit begründet sein? Davon schreibst du mir sicher noch. Ich könnte mir vorstellen, daß infolge Zerstörung aller lebenswichtigen Anlagen Köln keinen Lebensraum mehr geben kann. Deinen Eltern hatte ich von hier aus noch nach Köln geschrieben. Der Brief wird sicher nach langen Wegen nachkommen. Seit heute schneit es unaufhörlich. Es sind große Wasserflocken, die kaum liegen bleiben und das Gelände in S.. und Sumpf verwandeln. Morgen muß ich nach A. [wohl Agram = Zagreb], um für den Namenstag des Chefs ein Buch zu kaufen. In diesem Wetter macht mir das wenig Freude. In den nächsten Tagen werden wir auch werden wir auch unsere neuen Unterkünfte mit allem Gerät beziehen. Ich hoffe, daß ich mein Arbeits- und Wohndomizil in einem festen Haus aufschlagen kann. Deinen Brief vom 16., den ich gestern bekam, habe ich immer wieder gelesen. Ich bin so froh, wieder Nachricht von Dir zu haben, vor allem zu wissen, daß Du meine Briefe alle bekommen hast. Ich glaube kaum, daß viele Briefe verloren gingen, denn die Post ist zu einer bestimmten Zeit schon alle in Wien festgehalten worden und wurde von da dann zum neuen Einsatzort geschickt. Nach Belgrad kam ja nach dem 12.10. schon nichts mehr herein. Interessant war mir jetzt noch zu lesen, daß nach einer Meldung des Oberkommandos der Wehrmacht Belgrad am 20.10. aufgegeben wurde nach Absetzung der letzten deutschen Truppen. Demgegenüber steht, daß wir erst in der Nacht vom 22. zum 23. vom Stadtteil Cucarica
[=Cukarica]
uns über die Save absetzten, nachdem die Russen schon auf der anderen Saveseite die Stadt Semlin
[=Zemun]
besetzt hatten. Allerdings waren wir auch nur der letzte Rest eines Kampfhaufens, den man bereits gänzlich aufgegeben hatte. Denn überall wo wir hinkamen und uns zurückmeldeten, sah man uns entgeistert an und empfing uns dann freudestrahlend als wiedergeboren. Unsere Urlauber, die aus dem Krieg zu unserem Divisionsstab nach Ungarn geschickt wurden, mußten da erfahren, daß von uns niemand zurückkäme und daß man über unser Schicksal auch nichts mehr erfahren könne. Und nun ist doch noch ein Haufen zurückgekehrt, und die einmal totgesagt wurden, leben bekanntlich lange. Und so werde ich auch einmal wieder bei Dir sein und Dich behüten, so gut ich kann. In Liebe Dein P. Herzl.Grüße an die Eltern
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Kurt Müller sen.
geboren am 8. August 1904 in Elberfeld gestorben am 23. Dezember 1982 in Gütersloh