4/1.44
Meine liebste Frau!
Ich weiß nicht, wann dieser Brief abgeht. Denn die Strecke soll gesperrt sein und außerdem dauert es zu [ ] immer recht lange. Wann wir hier [ab... ], steht noch nicht fest. Es kann stündlich durchkommen. Die Poststelle in Wien ist schon benachrichtigt, die jetzt eintreffende Post zum neuen Einsatzort zu leiten. Heute war ich nochmal in der Stadt
[gemeint ist wohl Belgrad]
, mit unserem stellv.Chef. Ich schrieb Dir schon einmal, daß wir auf geistigem Gebiet so viele Berührungspunkte haben. Es war recht nett. Ich habe den Film "Das Bad auf der Wanne" gesehen, ein echter Schwank voll breughelscher Derbheit. Anschließend war ich in der Frontbuchhandlung und habe mir 3 schmale Büchlein gekauft. Eine Auswahl Hölderlin, "Brigitte" von Stifter, und eine Verssammlung "Das liebste Gedicht". Und darum will ich Dir gleich einige Verse von Hermann Claudius schreiben, die mir so gut gefallen haben:
Der Rosenbusch.
Es haben meine wilden Rosen
- erschauernd vor dem Hauch der Nacht -
die wunderleichten, dichten, losen
Blüten behutsam zugemacht.
Doch sind sie so voll Luft gesogen,
daß es wie Schleier sie umweht,
und daß die Nacht in scheuem Bogen
am Rosenbusch vorübergeht.
Unser Tag hat also wieder seine festliche Verklärung gehabt, während Du armes Kind sicher Sorge und Gefahren erleiden mußtest. Vielleicht bringt Dir aber auch dieser Brief etwas von meiner Freude und teilt Dir mit, wie glücklich ich bin, daß ich Dir so etwas schreiben kann und darf.
Bleibe behütet, mein Gutes, ich denke herzlich an Dich.
Dein Papi