Norbert Podewin: Zum hundertsten Geburtstag von Albert Norden
(Albert Norden) ... war lebenslang ein sozialistischer Streiter für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Seine sprichwörtliche »Wiege« sah das keinesfalls vor - sie stand in einem Rabbinerhaushalt in Myslowitz (Regierungsbezirk Oppeln), wo Albert Norden am 4. Dezember 1904 geboren wurde. Im Herbst 1907 berief man den Vater in die Rheinprovinz nach Elberfeld, wo der durch hohe Bildung und mehrere biographische Titel bekannte jüdische Geistliche sehr bald zu den Honoratioren der aufstrebenden Industriestadt zählte.
1922: »Helft Sowjetrußland!«
Der Weg des Sohnes führte an das Realgymnasium, und Kriegsbegeisterung - »Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen!« - erfaßte ihn wie seine Mitschüler. Doch die Heimkehr des Bruders Hans als Schwerverwundeter der Aisne-Schlacht 1918 und die Novemberrevolution auch im Rheinland formten den Jungen um; er trat in die Freie Sozialistische Jugend Deutschlands ein. Als einer ihrer Aktivisten sprengte er an seiner Schule eine »nationale Manifestation«; für die konservative Lehranstalt war er damit suspekt. Bereits im Herbst 1920 zeigte er sich als »unverbesserlich«, wurde er doch beim Abwerfen von Flugblättern gegen den Kapp-Putsch vom Dach der Stadtbibliothek von der Polizei festgenommen. Die darauf vorgesehene zwangsweise »Fürsorgeerziehung« unterblieb, weil der Vater sich für den Strafunmündigen verbürgte, eine Tat, die ihm die lebenslange Dankbarkeit des Sohnes einbrachte. Die Schulbänke zum Abitur hat Albert Norden allerdings nie wiedergesehen; eine Schreinerlehre blieb als Ausweg.
Das enorme Wissen erwarb er fortan ausschließlich an den »Universitäten des Lebens«. Sein Schreibtalent bewies Albert Norden, seit 1921 Mitglied der KPD, erstmals im Folgejahr mit der Herausgabe einer - allerdings kurzlebigen - eigenen Zeitschrift. Der Hauptbeitrag der 1922 erschienenen Nr. 1 der »Rundbriefe der radikal-sozialistischen jüdischen Jugend« lautete: »Helft Sowjetrußland!« Die KPD wurde auf ihren jungen Publizisten aufmerksam. Viele Einsatzorte warteten bis 1928: Düsseldorf (als Redakteur der Freiheit), Remscheid (Bergische Volksstimme), Halle (Klassenkampf), Hamburg mit der Hamburger Volkszeitung. 1924 verhängte man erstmals eine politische Haftstrafe gegen den Umtriebigen, der sich eine zweite 1926 anschloß. Ab 1928 war er - mit kurzen Unterbrechungen - beim KPD-Zentralorgan "Die Rote Fahne" in der Hauptstadt tätig.
Jahre der Emigration
Als jüdischer Kommunist war Albert Norden nach dem Antritt der Nazis doppelt gefährdet - Walter Ulbricht erteilte die Weisung zur Emigration. Dänemark, Tschechoslowakei, Frankreich waren die nächsten Stationen. In Paris arbeitete Norden unter Leitung von Willi Münzenberg am legendär gewordenen »Braunbuch« über den Reichstagsbrand mit. Als Sekretär des von Heinrich Mann geleiteten »Aktionsausschusses deutscher Oppositioneller« begann eine bis an das Lebensende des Dichters dauernde Freundschaft. 1939 in Frankreich interniert, gelang Albert Norden mit seiner Ehefrau Herta - geheiratet hatten sie während einer kurzzeitigen Haftentlassung - 1941 die Ausreise vor der Besetzung Südfrankreichs durch deutsche Truppen. Das Ziel Mexiko haben sie nie erreicht, ein US-Kriegsschiff brachte den Frachter auf. Vorläufige Endstation war ab 1942 New York. Zusammen mit anderen Genossen, so mit Gerhart Eisler, Albert Schreiner und Hermann Budzislawski, arbeitete Norden für antifaschistische Zeitschriften, u. a. als Herausgeber von "Germany Today".
Rückkehr nach Ostdeutschland
Nach heftigen Protesten - die USA verweigerten lange eine Rückkehr nach Ostdeutschland - gelang 1946 die Ausreise über die UdSSR... Erst zu diesem Zeitpunkt erfuhr Albert Norden vom Schicksal seines Vaters: Im Herbst 1942 aus Hamburg deportiert, endete der Humanist und Friedensprediger Dr. Joseph »Israel« Norden im Februar 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt. Für Albert Norden war es eine erschütternde Botschaft, die sein Leben prägte. 1954 wurde er im neu gegründeten »Ausschuss für deutsche Einheit« dessen Staatssekretär und gewann hier seine internationale Kontur als unerbittlicher Aufspürer und Ankläger von Nazi- und Kriegsverbrechern. ... seit 1955 ... (war er) Sekretär des ZK der SED... ... Zu seinen bekanntesten Werken zählen »Lehren deutscher Geschichte. Zur politischen Rolle des Finanzkapitals und der Junker« (1947), »Braucht man zum Leben Politik?« (1966) sowie »Herrscher ohne Krone«, eine Geschichte des Handelshauses Fugger (1973)... Am 30. Mai 1982 ist Albert Norden gestorben.
Albert Nordens Biografie
Norbert Podewin: Albert Norden, Der Rabbinersohn im Politbüro Stationen eines ungewöhnlichen Lebens 2., korr. Aufl. 2003. 436 S., Verlag: Das Neue Berlin, ISBN: 3897930587